Durch die Brille des Handwerks

April 2024

Liebe Mitglieder von HANDWERK BW!

Manchmal fragt man sich ja: Soll ich mir das nun angucken oder besser nicht? Mir geht’s beispielsweise bei Fußballspielen meines Lieblingsclubs so – bitte jetzt keine Häme!! Es handelt sich um den HSV. Ein Übrigbleibsel meiner Jahre im Norden. Der stete Versuch dieses Vereins, wieder nach oben zu kommen, bereitet jedem Fan körperliche Schmerzen. … Egal, wir schweifen ab.

Wo waren wir stehen geblieben? Richtig, es ging darum, was man sich so anguckt und was besser nicht. Vor zwei Wochen lief in der ARD eine Dokumentation zum Thema Bürokratie – gucken oder nicht? Ich hab’s mir angetan und muss sagen: Es hat sich gelohnt (wer auch will, hier ist der Link in die Mediathek). Zwar fühlt man sich danach nicht besser als nach einer HSV-Niederlage. Aber man fühlt sich wenigstens nicht allein bei diesem endlos desaströsen Thema. Unter dem Titel „Die Brötchen-Bürokratie“ wurde am Beispiel des Bäckerhandwerks mal durchexerziert, was der Staat sich über die Jahrzehnten alles für einen Quatsch hat einfallen lassen. Beispiel gefällig? In der Werkstatt einer Mühle wird die Durchführung einer jährlichen Gefährdungsbeurteilung für Schwangere und Stillende gefordert – auch wenn dort lediglich zwei Männer arbeiten. „Das ist Schwachsinn“, stöhnt der Mühleninhaber. Und wir sind uneingeschränkt bei ihm.

Der Fernsehkritiker der Deutschen Handwerkszeitung schrieb im Nachgang: „Wenn es eines Beweises für die These bedurft hätte, dass der regulierungswütige Staat sich immer weiter in noch die feinsten Verästelungen des geschäftlichen Lebens hinein ausdehnt, wobei er selbst ständig in der Zahl seiner Angestellten und Beamten wächst – diese Sendung hat ihn erbracht.“ Und ebenso wurde gezeigt, der Amtsschimmel wiehert weniger in den Amtsstuben als in den Parlamenten. Die Regelungswut entspringt meist einer übergriffigen Politik. Wenn diese sich dann für die Verabschiedung von „Bürokratieentlastungsgesetzen“ feiert, in denen nicht mal 3 Prozent der zuvor gelieferten Entlastungsvorschläge drin stehen, dann zeugt das von ebenso viel Wirklichkeitsbezug wie der Traum eines HSV-Fans von der deutschen Meisterschaft. Schön auch, wenn Fraktionen im Bundestag, die an der Regierung beteiligt sind, im März 2024 darum bitten, doch einmal Vorschläge für Bürokratieabbau zu liefern, nachdem ihre eigene Regierung gerade ein Gesetz verabschiedet hat, in dem 97 % der längst gelieferten Vorschläge ignoriert wurden. Redet da noch jemand miteinander?

Inwiefern wir hier in The Länd mit unserem Engagement für Bürokratieabbau, z.B. in der Entlastungsallianz, erfolgreich sind, wird sich auch noch zeigen müssen. Derzeit haben wir den Eindruck, dass nur eine von 9 Arbeitsgruppen ein paar greifbare Vereinfachungen für Bürger und Betriebe beschlossen hat. In BaWü reicht es also aktuell nichtmal zu einem Bürokratieentlastungs-Gesetzchen.

Was tun? Verlagern wir doch mal unseren Standort! Naja, nicht gleich so wie die Industrie, wir sind ja im Handwerk und bis zum Ende aller Tage standorttreu. Aber ein Perspektivwechsel tut ja immer gut. Wenn Sie dies hier lesen, sind ein paar Vertreter des baden-württembergischen Handwerks in Polen. Die jährliche Delegationsreise mit der Wirtschaftsministerin, die für uns als Wirtschaftszweig eine besondere exklusive Ehre ist, führt uns nach Warschau und Breslau. Das Land befindet sich in einer spannenden Phase, zurück zu wieder mehr Rechtsstaat, mehr europäischer Partnerschaft, und Geschäftskontakte helfen immer dabei, so etwas zu festigen. Wir hoffen auf gute handwerkspolitische Gespräche und neue Geschäftsanbahnungen für die mitreisenden Unternehmer.

Am Tag nach unserer Rückkehr aus Polen zwingen uns die Ereignisse zu einem nochmal ganz anderen Blick auf die Dinge: Dass nämlich nichts, keine Bürokratie, kein politischer Dissens, rein gar nichts so wichtig ist wie … die Gesundheit und das Leben selbst. Einer, dessen Leben viel zu früh endete, war Johannes Ullrich, Präsident der Handwerkskammer Freiburg. Am 18. April gedenken wir seiner im Freiburger Münster. Er hatte die Gabe, manche Beschwernis mit südbadischer Gelassenheit zu kommentieren. Denken wir dann und wann an ihn – und behalten ihn im Herzen.

Ich sage auf bald und grüße herzlich!

Ihr Peter Haas

Kontakt über haas(at)handwerk-bw.de

Peter Haas

Hauptgeschäftsführer
Geschäftsführer BWHM GmbH

Telefon 0711 263709-101